Das selbständige Beweisverfahren – selten genutzt – zu Recht?

Zur Durchsetzung eines zivilrechtlichen Anspruches, etwa aufgrund eines mangelhaft erstellten Werkes, bleibt einem Anspruchsgläubiger im Falle einer Leistungsverweigerung durch die Gegenseite meist nur der Klageweg vor einem Zivilgericht. Ein solcher Prozess beginnt mit der Einreichung einer Klageschrift, vorwiegend durch einen Rechtsanwalt verfasst. Darauf folgt gewöhnlich die Klageerwiderung der Gegenseite. Normalerweise werden weitere Schriftsätze der Parteien eingereicht und das Gericht bestimmt sodann Termin zu einer mündlichen Verhandlung.

Neben rechtlichen Fragen sind zwischen den Parteien fast in jedem Prozess Tatsachen streitig. Für den Ausgang des Rechtsstreits ist es maßgebend, ob eine Partei ihre Tatsachenbehauptung, wie etwa, dass die eingebaute Heizung mangelhaft montiert wurde, beweisen kann.

Sind Tatsachen streitig und wurde Beweis angeboten, erlässt das Gericht einen Beweisbeschluss, es wird beispielsweise beschlossen, dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll.

Je nach zuständigem Gericht können vom Zeitpunkt der Klageeinreichung bis zur Vernehmung eines Zeugen durchaus sechs Monate und mehr vergehen. Die Begutachtung durch einen Sachverständigen findet sogar in manchen Fällen zu einem noch späteren Zeitpunkt statt.

Was tun bei Gefahr des Beweismittelverlustes?

Es ist eine Vielzahl von Fällen denkbar, in denen es einer Partei nicht mehr möglich ist, erhebliche Tatsachen nach Ablauf von mehreren Monaten zu beweisen. Zum Beispiel, weil die vorliegenden Schäden und Mängel nach einem bestimmten Zeitablauf schlecht nachweisbar sind oder Anschlussgewerke begonnen werden müssen.

Eine Partei kann hier auf eigene Faust einen Gutachter beauftragen. Dieser muss jedoch zunächst vom Auftraggeber bezahlt werden. Darüber hinaus ist ein solches Gutachten für ein Gericht als Parteivortrag keinesfalls bindend.

Um diesen Problemen zu begegnen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit des selbständigen Beweisverfahrens geschaffen.

Was ist ein selbständiges Beweisverfahren?

Es bestehen zwei selbständige Verfahrensarten. Zum Einen kann eine Partei während oder vor einem Prozess die Einvernahme eines Zeugen, die Inaugenscheinnahme durch den Richter oder die sachverständige Begutachtung gem. 485 Abs.1 ZPO beantragen. Vorraussetzung ist hier eine Eilbedürftigkeit. Hiervon wird in der Praxis jedoch fast überhaupt kein Gebrauch gemacht.

Zum Anderen besteht die Möglichkeit, einem Prozess in der Hauptsache ein selbstständiges Beweisverfahren nach 485 Abs. 2 ZPO "vorzuschalten". Zulässig ist dieses Verfahrens, wenn dadurch ein zukünftiger Prozess vermieden werden kann, sofern, wie so oft, lediglich Tatsachen streitig sind. Rechtsfragen können nicht Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens sein. In diesem Verfahren wird dann ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt.

Wie wird ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt?

Das Verfahren beginnt mit einem Antrag, es sind die Tatsachen, welche man bewiesen haben will, zu beschreiben. Hier reicht es aus, die Mängel oder Schäden darzulegen, eine genaue Ursachenbeschreibung ist entbehrlich, aber oftmals angebracht. Weiterhin muss man sein rechtliches Interesse an der Klärung der Streitfrage darlegen und gegebenenfalls dieses sowie die aufgetretenen Mängel und Schäden glaubhaft machen. Dass heißt Urkunden, wie etwa den Werkvertrag usw. oder eine eidesstattliche Versicherung, vorlegen. Die Gegenseite erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, sodann wird üblicherweise der Sachverständige beauftragt.

Welche Wirkungen hat das selbständige Beweisverfahrens?

Die Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens hemmt die Verjährung. Weiterhin wirkt die Beweiserhebung genauso wie die spätere Beweisaufnahme im Folgeprozess. Das Gericht hat das Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens so zu würdigen, als wäre die Beweiserhebung im streitigen Prozess erfolgt.

Wird das selbstständige Beweisverfahren zu Recht selten genutzt?

Aus meiner Sicht empfiehlt sich die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens vor allem in Bausachen.

Beispielsweise ist ein Auftraggeber gut beraten, beim Vorliegen von Mängeln ein solches durchzuführen. Dies insbesondere, weil hier der oft eingeschlagene Weg eines Privatgutachtens nach meinem Dafürhalten wenig Sinn macht, da ein solches Gutachten im Folgeprozess keine Bindungswirkung hat. Oftmals ist es auch so, dass Drittfirmen mit der Erstellung von Anschlussgewerken bereits "in den Startlöchern" sitzen. Die Zeitersparnis durch Führung eines Beweissicherungsverfahrens kann hier viel Geld sparen.

Auch aus folgendem Gesichtspunkt ist ein selbstständiges Beweisverfahren sinnvoll:

Nicht selten ist streitig, welcher der Auftragnehmer den Mangel verursacht hat. So schiebt beispielsweise der Unternehmer A die Mangelverursachung gerne auf Unternehmer B, der ebenfalls am Bau mitgewirkt hat, und umgekehrt. Wenn dann noch der Architekt wegen Aufsichtspflichtverletzung unter Umständen haftet, ist die Verwirrung meist groß. Hier kann durch ein selbstständiges Beweisverfahren Klarheit geschaffen werden. Durch genaue Formulierung der zu beweisenden Tatschen kann hier die Verursachung der Handwerker präzise hinterfragt werden und zum Gegenstand des Gutachtens gemacht werden. Ebenfalls ist es möglich, eine Mitverursachung nach Quoten feststellen zu lassen.

Auch eine Streitverkündung, welche dazu führt, dass der Streitverkündete die Ergebnisse des Vorprozesses in einem möglichen Nachfolgeverfahren nur höchst eingeschränkt in Frage stellen kann, ist nach neuerer Rechtsprechung problemlos möglich.

Bei Rückfragen empfehle ich im Einzelfall die genaue Prüfung durch einen hierauf spezialisierten Rechtsanwalt.

Falk Ostmann
Rechtsanwalt


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